Werner-Rolevinck-Grundschule Laer
Der Übergang vom Kindergarten in die Schule ist naturgemäß mit vielen Ängsten und Befürchtungen seitens der Kinder verbunden. Kinder die mit einem schwachen Selbstvertrauen und/oder einer schlecht entwickelten Sensibilität für sich und ihre Umwelt diesen Schritt bewältigen müssen, benötigen ihre ganze Energie um sich in ihrer neuen Umgebung zu recht zu finden. Diese Kraftanstrengung lässt ihnen keinen Spielraum, um sich auf kognitive Lerninhalte zu konzentrieren. Diese Kinder sollen einmal wöchentlich an jeweils einer Einheit erlebnispädagogisches Klettern und heilpädagogisches Reiten teilnehmen. Die SchülerInnen sollen in dieser natürlichen Umgebung durch eigenes Handeln und Interagieren in der Gruppe, mit dem Pferd und der gesamten Umwelt in ihrer Persönlichkeit und sozialen Sensibilität gefördert werden. Die Problemlösungsaufgaben im Niedrigseilgarten sind so konzipiert, dass die Gruppe nur gemeinsam das Ziel erreichen kann. Die Arbeit mit dem Pferd ermöglicht die Übernahme von Verantwortung, Körper- und Bewegungserfahrungen, sowie den Aufbau einer unvoreingenommenen nicht leistungsorientierten Beziehung und fördert dadurch die gesamte Persönlichkeitsentwicklung.
Ziel des Projektes ist die ganzheitliche Förderung der sozial-emotionalen Kompetenzen der Kinder durch selbstständiges Handeln in der Auseinandersetzung mit sich, der Gruppe, dem Pferd und dessen Umwelt in einer unvoreingenommenen, nicht leistungsorientierten Umgebung. Die Kinder lernen in der Gruppe und mit dem Pferd zu kooperieren und, auch auf non-verbaler Ebene v.a. mit Pferd, zu kommunizieren. Durch die direkte Rückmeldung lernen sie ihr Können und die Wirkung ihres Handelns auf andere besser einzuschätzen. Dadurch werden u.a. Selbstkompetenz, Konfliktfähigkeit, Anstrengungsbereitschaft, Selbstverantwortung und Frustrationstoleranz geschult. Durch die dreidimensionalen Schwingungsimpulse des Pferdes sowie dessen Wärmeübertragung können Körperwahrnehmung und Sinnesfunktionen wie Tiefensensibilität, Konzentration und das Gespür für sich selbst und den Partner in besonderer Weise gefördert werden. Der direkte Kontakt zum Pferd ermöglicht es den Kindern durch erhöhte Oxytocin-Ausschüttung eine Bindung aufzubauen. Durch die enge, vertrauensvolle Beziehung zu einem Lebewesen lernen sie sich zu öffnen, einem Partner zu vertrauen und ihnen entgegengebrachtes Vertrauen auch zu beantworten. Somit werden die Kinder sowohl auf sozialer als auch auf psychomotorischer Ebene in ihrer Persönlichkeitsentwicklung gestärkt.
Die Kinder sind die Hauptakteure. Sie werden sowohl beim Klettern als auch beim Reiten und im Umgang mit dem Pferd und der Gruppe mit "Herz, Hand und Verstand" selbst aktiv. Die Arbeit mit dem Pferd ermöglicht ein Beziehungsdreieck zwischen Kind, Pferd und Pädagogin, wobei das Pferd im Mittelpunkt steht und die Pädagogin die Rolle eines Vermittlers auf dem Weg zum selbstständigen Handeln einnehmen kann. Die Kinder sind für ihr Handeln und somit die Interaktion innerhalb der Gruppe und mit dem Pferd selbst verantwortlich. Jedes einzelne Kind ist daher in besonderem Maße am Erfolg der Aufgaben beteiligt und stärkt somit auch sein Selbstbild.
Das Projekt wurde nun seit März 2014 in Kooperation der Werner-Rolevinck-Grundschule Laer und dem Reit- und Bewegungszentrum Jessica Mersmann durchgeführt und soll, wenn möglich, im kommenden Schulhalbjahr mit einer neuen Gruppe fortgeführt werden. Diesbezüglich gab es bereits viele Anfragen von Seiten der Kinder, Eltern und des Lehrerkollegiums. Nach nun einem Jahr sollen daher weitere Kinder die Möglichkeit der Teilnahme am Projekt Heilpädagogisches Reiten und erlebnispädagogisches Klettern erhalten. Zugleich erfolgt auch eine wissenschaftliche Begleitung im Rahmen einer Bachelorarbeit der Saxion Hogeschool.
Im Zeitraum von März bis zu den Osterferien hatten die teilnehmenden Kinder die Möglichkeit den Ablauf und die Strukturen der beiden Schulstunden auf dem Hof Mersmann kennenzulernen. Zunächst blieben alle 8 Kinder in einer Gruppe zusammen und lernten das Umfeld sowie wichtige Regeln und Verhaltensweisen im Umgang mit dem Pferd aber auch mit ihren Gruppenmitgliedern kennen und vertiefen. Nach den Osterferien wurde die Gruppe dann zeitweise auf zwei kleinere Gruppen von je 4 Kindern aufgeteilt. So konnten zuvor auch die Beziehungen zwischen den Kindern beobachtet und in die Planung der einzelnen Gruppen einbezogen werden. Die Arbeit in Kleingruppen bietet die Möglichkeit, dass die Kinder selbst noch aktiver werden können. Jede Einheit wurde jedoch mit allen Kindern und Reitlehrern gemeinsam begonnen und beendet. Die Übungen der einzelnen Gruppen mit und auf dem Pferd sowie im Niedrigseilgarten, die jeweils von Jessica Mersmann sowie Lena Gerdener begleitet wurden, wechselten und wurden dabei jedoch immer vor dem Hintergrund der übergreifenden Zielsetzung, der Förderung der emotionalen und sozialen Kompetenzen, geplant, durchgeführt und evaluiert. Der Wechsel der Gruppen sowie Angebote gewährleistete auch einen ständigen Austausch und eine gemeinsame Förderung durch beide Kooperationspartner. Weitere ausgebildete Therapeuten Physiotherapeutin, Logopädin, Reitlehrer, Hippotherapeutin standen immer beratend und unterstützend auf dem Hof Mersmann zur Seite.
Der geplante zeitliche Rahmen von zwei Unterrichtsstunden stellte sich als relativ knapp, aber durchaus realistisch auch in Bezug auf die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler montags in der 5. und 6. Stunde heraus. Auch die neue Gruppengröße sollte im kommenden Schulhalbjahr in der neuen Konstellation Kinder nicht größer sein.
Insgesamt war über den gesamten Zeitraum der Durchführung hinweg großes Engagement und Freude auf Seiten der Kinder zu beobachten. Sie freuten sich schon Tage vorher auf das Reiten und Klettern und lernten schnell dazu. Das gesamte Leben auf dem Hof auch andere Tiere und Vorgänge wie z.B. das Misten etc. faszinierten sie. Eine Verbesserung des Sozialverhaltens sowie der Selbstwahrnehmung war vor allem im Umgang mit dem Pferd durch die direkte Rückmeldung des Tieres sowie notwendigen Absprachen zu erkennen. Dabei zeigten die Kinder schon nach einigen Wochen eine gesteigerte Selbstwahrnehmung und ein gestärktes Selbstkonzept sowie Ansätze von Kooperationsfähigkeit beispielsweise beim Auskratzen der Hufe oder bei der Bewältigung sportlicher Aufgaben mit dem Pferd. Auch im Schulalltag sind mittlerweile Fortschritte diesbezüglich zu beobachten. Vor allem aber die Aufgaben im Niedrigseilgarten waren nur im Team zu bewältigen. Dort stellten sich insbesondere die Grenzerfahrungen als interessant und zielführend dar. Dabei lernten die Kinder, ihre Fähigkeiten besser einzuschätzen und ihrem Partner gegenüber verständlich zu machen, welche Hilfe sie benötigen um eine Aufgabe erfolgreich zu lösen und sich sicher zu fühlen. Sowohl beim Klettern als auch während der Einheiten mit dem Pferd war jedes Kind zu jeder Zeit eingebunden und hatte eine Aufgabe. Insgesamt ist zu beobachten, dass die Kinder beginnen immer selbstständiger und verantwortlicher zu handeln, nun auch nicht mehr nur in den Situationen im Rahemn des Reiten und Kletterns sondern auch im Schulalltag sowie in außerschulischen Situationen.