Kosmos-Bildung Münsterlandschule Tilbeck
Gemeinsinn und die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung, die Bereitschaft, sich einzubringen, sind unverzichtbar für den gesellschaftlichen Zusammenhang. Allerdings lernen wir Menschen Gemeinsinn und die Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme nicht aus Büchern oder durch ethisch-moralische Appelle, sondern durch Handeln. Jugendliche wollen sich engagieren, sich einbringen, sie wollen einen Sinn in ihrem Tun-, sie wollen Selbstwirksamkeit erleben. Mit dem Projekt Verantwortung - "Spüren, wie es ist, gebraucht zu werden" eröffnen wir den Schülerinnen und Schülern der Mittelstufe 7/8 Klasse ein außerschulisches Lernfeld, in dem sie in konkreten Lebensvollzügen solche Erfahrungen machen können. Das Projekt besteht im Wesentlichen aus vier Schritten. 1. Die Schülerinnen und Schüler SuS suchen sich ihre Aufgabe selber. Parallel dazu gibt die Schule eine mögliche Orientierung, in dem sich die SuS mit einer Persönlichkeit beschäftigen, die in ihrem Leben in vorbildlicher Weise Verantwortung übernommen hat. Die SuS suchen selbständig und eigenverantwortlich den Kontakt zu möglichen Einrichtungen auf und organisieren die praktischen Herausforderungen Einsatzzeit, Transport. Sie erhalten dabei notwendige Unterstützung durch die Schule. 2. Die SuS sind für ein halbes Jahr einmal wöchentlich für einen Zeitraum von 2-3 Stunden in der Einrichtung und wirken dort im Rahmen der Möglichkeiten verantwortlich mit. 3. Die SuS dokumentieren in vielfältiger Weise ihre Erfahrungen Interviews, Schreibens eines Briefes, Tagebuchnotizen, Bilder. 4. Im Laufe der Wochen laden sie einen Vertreter der Einrichtung in ihre Schule ein und stellen sie vor.
Das Ziel des Projekts ist es, den SuS ein außerschulisches Lern-/Wirkfeld zu eröffnen, in dem sie über einen langen Zeitraum verantwortlich mitwirken können. Sie erleben dabei Selbstwirksamkeit und Sinnhaftigkeit. Sie erleben, dass ihr Engagement wichtig ist, dass sie gebraucht werden. Sie tragen dazu bei, dass ihre Schule mehr mit den politischen und sozialen Akteuren des Gemeinwesens vernetzt wird.
Die SuS sind von Anfang an in das Projekt eingebunden. Sie setzen sich damit auseinander, in welchem Bereich sie verantwortlich mitwirken und Erfahrungen machen möchten. Sie organisieren ihren Praxiseinsatz selbständig und bewältigen die auftretenden Herausforderungen mit der notwendigen Unterstützung der Schule und der Eltern. Sie laden Vertreter der Einrichtung in ihre Schule ein und stellen die Schule vor. Sie werden so zu Botschaftern ihrer Schule. Unsere Schule arbeitet inklusiv, d.h. sie muss Heranwachsenden mit unterschiedlichen Voraussetzungen ermöglichen, ihre Erfahrungen zu dokumentieren. Dazu benötigen wir eine differenzierte Ausstattung:
Rückblick:
Zum Ende des Projektes haben wir mit allen SuS in ausführliches Interview geführt. Auszüge aus diesen Interviews dokumentieren eindrucksvoll die Projektergebnisse und geben einen guten Rückblick.
Zwei Mädchen 12 und 13 Jahre alt:
Wo habt ihr euer Projekt Verantwortung durchgeführt? Und was habt ihr dort gemacht?
In einem Tierheim, dort haben uns um die Tiere gekümmert, allerdings nur um die Katzen und Kleintiere.
Was hat euch dabei besonders gefallen?
Die Mitarbeiter des Tierheims waren super nett zu uns und haben uns das Gefühl gegeben gebraucht zu werden und haben uns viel gelobt.
Was habt ihr besonders gelernt?
Ich habe gelernt ein wenig selbstbewusster zu werden und mich zu trauen mal was zu machen. Fremde Menschen kennenzulernen und mich nicht so zu verstecken und keine Angst zu haben. Meistens verstecke ich mich hinter meiner Freundin. Jetzt habe ich mich einfach getraut.
Ich habe gelernt ein wenig verantwortungsbewusster sauber zu machen. Zu Hause mache ich das sehr oberflächlich, hier bei den Tieren gebe ich mir richtig Mühe.
Was unterscheidet das Projekt vom sonstigen Schulleben?
Du lernst mehr für das Leben als hier in der Schule. Hier kennt man jeden Lehrer, da muss ich mir mehr Mühe geben im Kontakt mit den Mitarbeitern.
Der praktische Bezug zum Leben ist greifbar, in der Schule bleibt alles theoretisch. Wenn ich da jetzt ausrechnen müsste wie viel Katzenstreu in eine Tonne geht, das ist doch auch Mathematik.
Man arbeitet für einen guten Zweck, in der Schule arbeitest du für dich selber, ist das nicht nur egoistisch?
Mädchen 12 Jahre
Wo hast du dein Projekt Verantwortung durchgeführt? Und was hast du dort gemacht?
In der Tafel, dort habe ich Lebensmittel gepackt, die Ausgabe besucht, Geburtstagsgeschenke für Kunden ausgedacht.
Was hat dir dabei besonders gefallen?
Das ich etwas für ärmere Menschen tun konnte und ihnen helfen konnte.
Was hast du besonders gelernt?
Ich habe gelernt mit Lebensmittel anders umzugehen, und ich habe auch gelernt mit unterschiedlichsten Menschen umzugehen. Menschen aus anderen Kulturen, Menschen ganz unterschiedlichen Alters.
Was unterscheidet das Projekt vom sonstigen Schulleben?
Man lernt vieles für das spätere Leben, soziale Kompetenzen, dass man alle Menschen so achtet wie sie sind. Mit Leuten klar zu kommen, die unsere Sprache nicht richtig sprechen.
Man lernt soziale Verantwortung. Es warten Menschen auf mich.
Mädchen 12 Jahre
Wo hast du dein Projekt Verantwortung durchgeführt? Und was hast du dort gemacht?
Bei meiner Nachbarin, die ist 90 Jahre. Sie ist seit drei Monaten erblindet. Ich habe ihr immer vorgelesen, weil sie eine Leseratte war und jetzt nicht mehr lesen kann. Und ab und zu habe ich auch etwas im Haushalt gemacht.
Was hat dir dabei besonders gefallen?
Dass sie sich immer so sehr gefreut hat, wenn ich kam und auch immer sehr interessiert war.
Was hast du besonders gelernt?
Durch die Gespräche habe ich ganz viel über Geschichte gelernt, vor allem über den Krieg und den Untergang der Gustloff. Die Frau war eine der wenigen Überlebenden des größten Schiffsunglücks der Geschichte. Ich habe gelernt, lange und aufmerksam zu zuhören.
Was unterscheidet das Projekt vom sonstigen Schulleben?
Dass du einfach helfen kannst, und dass man dabei etwas anderes lernt als Deutsch, Mathe und so. Zuhören, über Geschichte, über ein ganz konkreten Lebenslauf, Verantwortung, z.B. als ich bei einem gemeinsamen Spaziergang dafür sorgen musste, dass sie geführt wird. Man hat viel mehr Möglichkeiten, in der Schule muss man so viele Sachen machen, die langweilig sind. In der Schule ist immer so viel Gleiches.
Junge 13 Jahre
Wo hast du dein Projekt Verantwortung durchgeführt? Und was hast du dort gemacht?
Ich war in einer Tageseinrichtung für Kinder, ich habe mit den älteren Kindern 5/6 Jahre Sport gemacht. Wir sind in die Turnhalle gegangen und haben Stationen aufgebaut. Ich habe mit aufgebaut und unterschiedliche Hilfestellungen gegeben. Zum Teil habe ich auch einfach nur mit den Kindern gespielt.
Was hat dir dabei besonders gefallen?
Den Kindern Hilfestellungen zu geben, weil es ein gutes Gefühl ist, Kindern zu helfen. Den Kindern vorzulesen und anderes…
Was unterscheidet das Projekt vom sonstigen Schulleben?
In der Schule lernt man Mathe und so ein Zeug, dort lernt man andere wichtige Sachen z. B. soziales Verhalten, Verantwortung, u.a.
Dort lernt man ganz andere Arbeitsstrukturen kennen, nicht so geregelt wie in der Schule.
Eine Besonderheit des Projektes war es, dass die SuS die verantwortlichen Menschen in ihren Einsatzorten zu einem Besuch in ihrer Schule eingeladen haben. Erfreulicherweise fanden sehr viele der Eingeladenen auch die Zeit für einen solchen Besuch. Dadurch ist es gelungen, die Brücke zwischen Schule und außerschulischer Lebenswelt ein wenig stabiler zu machen, so dass den SuS auch in den kommenden Jahren Erfahrungsräume offenstehen, in denen sie sich in dem, was Verantwortung heißt, einüben können.