Sexualpädagogischer mfm-Projekttag 2023

Ansprechpartner:

Frau Felbick

Institution:

Geschwister-Scholl-Gymnasium Unna

  • Palaiseaustraße 2
    59425 Unna

Beschreibung und Ziele:

Seit nunmehr 8 Jahren gehört der sexualpädagogische mfm-Projekttag zum festen Bestandteil des sexualpädagogischen Konzepts des Geschwister-Scholl-Gymnasiums Unna. Die Abkürzung "mfm", zunächst ungewohnt, ist unserer Schulgemeinde mittlerweile geläufig. Sie steht für "my fertility matters" - ein kleines Wortspiel, das sich sowohl übersetzen lässt mit "Alle Angelegenheiten rund um meine Fruchtbarkeit", aber auch mit "Meine Fruchtbarkeit ist wichtig!" Unser Projektpartner, das mfm-Programms siehe www.mfm-programm.de schickt dazu speziell ausgebildete Referentinnen und Referenten zu uns an die Schule. Mit ihnen gehen die Mädchen und Jungen in kleinen, geschlechtsgetrennten Gruppen auf eine spielerische Entdeckungsreise durch ihren eigenen Körper. Die Mädchen erleben in der sogenannten "Zyklus-Show" eine anschauliche Darstellung des weiblichen Zyklusgeschehens. Bei den Jungen geht es mit etwas mehr Action zur Sache: Sie schlüpfen im Workshop "Agenten auf dem Weg" in die Rolle der Spermien und erleben dabei, was in ihrem Körper geschieht, wenn sie sich vom Jungen zum Mann entwickeln. Einen ganzen Vormittag lang erleben die Mädchen und Jungen somit in kleinen, geschlechtsgetrennten Gruppen, was sich in ihrem Körper während der Pubertät alles verändert und welchen Sinn diese Entwicklungen haben. Die Projekttage im Frühjahr 2021 und auch 2022 wurden bereits durch Ihre Stiftung komplett finanziert - herzlichen Dank nochmals dafür! Hier ist nachzulesen, wie wertvoll wir diese Tage erlebt haben: https://bit.ly/3Tmcul3 Nun bewerben wir uns hoffnungsvoll ein weiteres Mal für den neuen Jahrgang 5….

Sie fördern Projekte, die Kinder und Jugendliche auf "Übergangssituationen" vorbereiten. Die Reifezeit vom Kind zum Erwachsenen ist wohl als eine gravierende Übergangssituation für einen jeden Jungen und jedes Mädchen zu bezeichnen! Viele körperliche und seelische Veränderungen geschehen, die verunsichern können und eingeordnet werden wollen. Die Kinder sind in einem Alter, in dem sie sehr empfänglich sind für negative Beeinflussungen. Wir haben die mfm-Projekttage als gutes Instrument erlebt, um die Kinder positiv zu bestärken und ihnen zu helfen, ein selbst bestimmtes und selbstbewusstes Verhältnis zu ihrem Körper aufzubauen. Mit einem starken Selbstwertgefühl legen wir auch den Grundstein für einen verantwortungsvollen Umgang mit der eigenen Sexualität und damit auch für die Vorbeugung von sexueller Gewalt oder ungeplanten Schwangerschaften. Der mfm-Projekttag spricht dabei nicht nur das reine Fachwissen, also die "Kopf-Ebene" an, sondern gleichwertig ebenfalls Gefühle und Fantasie. Es wird ein positiver Bezug zum Geschehen im Körper hergestellt, Wertschätzung und Staunen über die Leistungen des eigenen Körpers sind ein wesentliches Ziel. Am Geschwister-Scholl-Gymnasium haben wir einen hohen Anteil an Migranten unter unseren Schülerinnen und Schülern. Gerade für diese Mädchen oder Jungen erleben wir den Workshoptag als sehr wertvoll, da im Elternhaus über die körperlichen und psychischen Veränderungen in der Pubertät häufig nicht gesprochen wird und der eigene Körper, Vorgänge wie Regelblutung, Ejakulation oder Schwangerschaft noch oft schambesetzt sind. Wertschätzung des eigenen Körpers sowie Wissen um die Vorgänge im Körper der späteren Partnerin bei einer Schwangerschaft sind jedoch unverzichtbar für ein selbstbewusstes Leben und einen respektvollen Umgang der Geschlechter untereinander. Die vermittelten fachlichen Inhalte und Kompetenzen sowohl im Jungen- als auch im Mädchen-Workshop werden von den Biologielehrkräften in der Jahrgangsstufe 9 zu Beginn der dort verorteten weiteren Sexualerziehung aufgegriffen und thematisiert. Da wir nun schon seit 8 Jahren dieses Projekt an unserer Schule haben, können wir berichten, dass die Jungen und Mädchen tatsächlich nachhaltig von diesem Tag profitieren und einen ausgesprochen positiven Zugang zu ihrem Körper haben und über die zugrunde liegenden Vorgänge von Pubertät, weiblichem Zyklus, Spermienreifung, Befruchtung, Schwangerschaft und Geburt Bescheid wissen.

Wie wurden die Kinder in das Projekt eingebunden?

Am Projekttag wird der normale Klassenverband aufgelöst. Die Kinder verbringen den gesamten Schulvormittag 1. - 6. Stunde in kleinen, geschlechtsgetrennten Gruppen von 9 bis maximal 15 Kindern. Eine Referentin bei den Mädchengruppen oder ein Referent bei den Jungengruppen des mfm-Programms hat den Raum bereits mit farbenfrohen Materialien gestaltet, bei den Mädchen liegen mit Tüchern und anderen Materialien gestaltet die weiblichen inneren Geschlechtsorgane auf dem Boden, um die herum sie sich mit Decken und Kissen gruppieren. Bei den Jungen geht es etwas weniger materialaufwändig, aber nicht weniger liebevoll zu: Sie versetzen sich in einem Rollenspiel in "Spezialagenten", die Spermien, deren Aufgabe nichts Geringeres ist, als das Überleben der Menschheit zu sichern. Dabei lernen sie zunächst die einzelnen Organe ihres männlichen Körpers kennen. Auf ihrer weiteren abenteuerlichen Reise durch mehrere anschaulich aufgebaute Stationen ins "Land des Lebens", dem Körper der Frau, erleben sie weit entfernt von trockener Theorievermittlung oder der mit dem Thema oft verbundenen Peinlichkeit, wie ein neuer Mensch entsteht. In diesem Zusammenhang verstehen sie auch, warum Mädchen eine Blutung und einen Zyklus haben. Im dritten Teil, dem "Happy man" erfahren sie, wie sich ihr Körper in der Pubertät vom Jungen zum Mann entwickelt. In ernsthaften Gesprächen, aber auch mit viel Spaß wird dem Thema in altersgerechter und respektvoller Weise der Raum gegeben, der ihm gebührt. Die Jungen spüren: "Was in mir vorgeht, ist echt cool!" Auch bei den Mädchen besteht der Projekttag aus drei Teilen. Im ersten Teil der Zyklusshow erleben sie, wie aus einer Spermienzelle und einer Eizelle ein neues Leben entsteht: Wie die "Bühne des Lebens" die inneren weiblichen Geschlechtsorgane von den "Frühlingsboten" FSH, den "Östrogen-Freundinnen" und dem "Progesteron-Team" auf das "große Finale", nämlich die Schwangerschaft und Geburt eines Kindes vorbereitet wird. Am Ende wird mit einer Puppe sogar die Geburt symbolisiert. Im zweiten Teil des Workshops, dem Hauptteil, geht es nur noch um ihren eigenen Körper: Nun schlüpfen auch die Mädchen in einem Rollenspiel in die Rolle der Hormone und erleben hautnah, wie die Östrogene als ihre besten Freundinnen sie in der Pubertät in eine Frau verwandeln. Sie stellen fest, dass auch ihr eigener Körper in jedem Zyklus neu "Luxussuiten" für einen möglichen Gast, also eine befruchtete Eizelle, vorbereitet. Kommt er nicht, wird - wie in der Natur - nicht getrauert und nicht gespart: jeder neue Gast bekommt nagelneue Luxussuiten, die unbenutzten fließen als Zeichen des Reichtums und Überflusses, als das "kleine Finale" der Zyklusshow, die Menstruationsblutung, aus dem Körper. Dabei entschlüsseln die Mädchen die verschiedenen Geheimcodes in ihrem Körper, z.B. den Zaubertrank Weißfluss, Zervixschleim, und werden eingestimmt auf ihre erste Blutung. Im letzten Teil des Projekttages sind genau diese Blutung, mögliche Ängste und Sorgen sowie notwendige Hygienemaßnahmen und -materialien Thema. Das ausführliche Gespräch darüber bereitet sie auf die oft noch nicht eingesetzte erste Blutung vor, gibt ihnen Selbstvertrauen und weckt ihren Stolz darauf, eine Frau zu werden. Sie haben den weiblichen Zyklus an diesem Projekttag nicht wie so oft in der Öffentlichkeit dargestellt als etwas Mysteriöses, Furchteinflößendes und Schmerzhaftes kennengelernt, sondern als ein beeindruckendes Geschehen auch zwischen den Blutungen, welches Frauen befähigt, neues Leben hervorzubringen.

Rückblick:

Irgendwie verändert sich grad so vieles an meinem Körper… Warum bin ich mal so richtig gut drauf - und dann kurz danach so richtig "down"? Was ist das für ein komischer Schleim in meiner Unterhose? Was mache ich, wenn mich meine erste Blutung mitten im Unterricht überrascht? Wann bin ich endlich ein "ganzer Mann" - und was soll das eigentlich heißen?
Die Zeit der Pubertät stellt Kinder vor viele Fragen. An wen können sie sich damit wenden? Das Internet, heute die schnellste und stets zugängliche Informationsquelle, lockt mit aufreizenden Bildern, schürt dabei aber auch Ängste und baut Leistungsdruck auf. Freunde und Mitschüler sind selbst verunsichert. Eltern oder gar Lehrer zu anzusprechen könnte peinlich werden…
Genau in dieser Übergangszeit einen geschützten Raum für Fragen zu eröffnen ist das Anliegen des mfm-Projekttages am Geschwister-Scholl-Gymnasium Unna. In wertschätzender Atmosphäre und in kleinen, geschlechtsgetrennten Gruppen jeweils mit einer Referentin für die Mädchen und einem Referenten für die Jungen erleben die Fünftklässler über einen ganzen Schulvormittag hinweg, welche Veränderungen in ihrem Körper in der Pubertät geschehen und welchen Sinn die Vorgänge haben: Neues Leben kann geschaffen werden!
Die Jungen schlüpfen dabei in die Rolle von "Spermagenten". Ihre Aufgabe ist es, "das Überleben der Menschheit zu sichern". Eingebettet in diese Geschichte ergeben sich Gelegenheiten für offene Fragerunden, Erklärungen und spielerisches Entdecken. Die Jungen erfahren dabei erstaunliches: Pro Sekunde werden in den beiden Hoden ganze Tausend Spermienzellen gebildet! Gemeinsam durchlaufen sie das Trainingscamp im Nebenhoden, um schließlich versorgt durch die "Trinkpäckchen" verschiedener Drüsen über die "Wildwasserbahn" der Prostata hinaus zu rutschen in das "Land des Lebens". Manchmal zeigen sich hier im Workshop auch noch unklare Vorstellungen: wie viel Flüssigkeit wird eigentlich bei einem Spermienerguss ausgeschleudert? Ist es die Menge eines Teelöffels, eines Esslöffels, oder eines Trinkpäckchens? Die Arbeit mit anschaulichen Vergleichen und Materialien ist Methode. So ist der Penis bewusst überdimensioniert dargestellt in Form eines riesigen Luftballons - Größenvergleiche haben hier keine Chance! Die "Spermagenten" erleben die weitere Reise als Teamarbeit: nach der mühsamen Reise durch einen Kriechtunnel, den Eileiter, kann die Hülle der Eizelle nur gemeinsam durchlässig gemacht werden. Wenn am Ende dann doch nur eine einzige Spermienzelle per Losentscheidung die Eizelle befruchten darf, erklingt die Melodie "We are the champions". So wird bewusst gemacht: wir waren alle mal ein Sieger in diesem Rennen.
Bei den Mädchen ist die Atmosphäre weniger wettkampfgeladen, sondern etwas kuscheliger. Sie dürfen staunen über das mit allerlei bunten Materialien aufgebaute Bild der weiblichen Geschlechtsorgane. Perlenketten verdeutlichen die noch unreifen Eizellen im "Schatzkästchen" des Eierstocks, von denen immer eine pro Monat zu einer großen, goldenen "Königin" heranreift. Auch hier spielen Geschichten eine Rolle: Da ist berühmte Sängerin, die eines der Mädchen auf ihrer Deutschlandtour zuhause besuchen will - vielleicht - und dann aber doch kurzfristig absagt. Das Märchen von der Prinzessin "Igittigitt", die den ekligen Schleim in ihrer Unterhose loswerden möchte. Dabei erkennen die Mädchen, dass dieser Wunsch gar nicht so gut ist, denn der Schleim ermöglicht den Spermien den Weg zur Eizelle - ohne ihn gäbe es kein Baby... Auch die Monatsblutung kann so positiv wahrgenommen werden: bei Ausbleiben des berühmten Gastes muss die vorbereite Luxussuite aufgeräumt, das Buffett gegessen werden - auch bei einer Party kann man ja nicht alles stehen lassen für die nächste Feier in einem Monat!
Das Feedback von Schülerinnen und Schülern, begleitenden Lehrkräften und auch Eltern, die auf einem Elternabend zuvor über Inhalte und Methoden des Projekts ausführlich informiert wurden, fiel wie in den Jahren zuvor sehr positiv aus. Schüler*innen, Eltern und Kolleg*innen der GSG-Schulgemeinde danken daher dem Bildungsprojekt "Von klein auf" der Gelsenwasser Stiftung für die Finanzierung dieser Projekttage 2023!