"Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt, so nah?" Regionale, nachhaltige Lebensmittelproduktion am Beispiel der Kartoffel.

Ansprechpartner:

Herr Korf

Institution:

Martinischule

  • Paschenbergstraße 91 - 95
    45699 Herten

Beschreibung und Ziele:

Das Projekt richtet sich an die drei zukünftigen ersten Klassen der Martinischule, in die im Schuljahr 2020/ 2021 nach aktuellem Stand 71 Schülerinnen und Schüler gehen werden. Die Schüler*innen werden, jeweils einzeln im Klassenverband, viermal den Hof Wessels in Herten Langenbochum besuchen und dort einen Schultag verbringen. Dort werden sie durch die pädagogischen Mitarbeiter des Hofes betreut und es wird sich gemeinsam dem Zukunftsthema der 17 "Global Development Goals" bzw. der Themenfeld "Bildung für nachhaltige Entwicklung" gewidmet. Angeleitet von den pädagogischen Fachkräften lernen die Kinder zunächst den Hof kennen. Besonders im Fokus wird dann die Ackerfläche stehen. Dort werden die Kinder den Anbau von Kartoffeln kennenlernen., indem sie lernen, wie ein Acker zunächst bestellt wird, das anschließend Kartoffeln gesetzt werden müssen, der Acker in der darauffolgenden Zeit gejätet werden muss und am Schluss dann geerntet werden kann, um aus den geernteten Kartoffeln können verschiedene Produkte und Lebensmittel hergestellt werden.

Wie eingangs erwähnt, soll das Projekt ein Beitrag zur Erreichung der Social Development Goals der Vereinten Nationen sein. Die Social Development Goals sind 17 Ziele, die sich die Vereinten Nationen gesetzt haben und die weltweit zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen aller Menschen in der Gegenwart und zum Erhalt einer lebenswerten Welt für zukünftige Generationen führen sollen. Sie reichen von der Überwindung von Armut und Hunger bis hin zum sozialverträglichen und umweltschonenden Verbrauch von Ressourcen, wie Wasser, Land und Luft. Diese Ziele sind in Deutschland in das Leitmotiv einer "Bildung für nachhaltige Entwicklung" eingegangen, um Kindern und Jugendlichen, also den Bürger*innen und Entscheider*innen von morgen, einerseits das fachliche Wissen und andererseits die Fähigkeiten zu vermitteln, um die Social Developern Goals zu erreichen und das Leben für alle Menschen weltweit Stück für Stück zu verbessern. So stehen u.a. reflektiertes Denken, Empathie und Verantwortungsbewusstsein auf dem Stundenplan, um die Schülerinnen und Schüler zu befähigen, verantwortungsbewusst so zu handeln, das gegenwärtige und zukünftige Generationen die Chance auf ein gutes Leben haben. In diesem Projekt soll dies mit den Kindern lebensnah, selbstwirksam und an einem außerschulischen Lernort erfolgen. Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass Deutschland auf Platz 6 im weltweiten Kartoffelanbau liegt. Dennoch werden gerade im Frühjahr jedes Jahr große Mengen an Kartoffeln aus Israel oder Ägypten importiert, wo es häufig große Probleme mit Wasserknappheit gibt, die Lieferung CO2 emittiert und auch die Lebensumstände, wie Armut und Unfreiheit, der Produzenten diskutiert werden können. Dabei kann man, bei gewissen Abstrichen an der Schönheit, das ganze Jahr über deutsche Kartoffeln essen. Die Produktion eigener Kartoffeln von geben den Kindern selbstwirksam zu handeln, durch eigenes Engagement und die Arbeit der eigenen Hände etwas zu produzieren, dass sie sonst nur aus dem Supermarkt kennen und mindestens in Form von Pommes gerne mögen. Sie erleben positive Anerkennung durch ihre eigene Leistung, was besonders bei Kindern, die im System Schule oft anecken, häufig eine ungewohnte Erfahrung, die sich positiv auf die Entwicklung auswirken kann. Die Kinder erfahren durch ihr eigenes Handeln, wie viel Arbeit in einer Kartoffel steckt und wie viel Ressourcen Zeit, Wasser, … benötigt werden. Dieser Erfahrungsschatz bietet an verschiedenen Stellen des Projektes Anknüpfungspunkte, um sich darüber Gedanken zu machen, wo Kartoffeln produziert werden heimisch und importiert aus dem Ausland und welche Auswirkungen dies auf die Umwelt CO2, Boden- und Flächenverbrauch, Wasserverbrauch usw. hat. Zudem kann verglichen werden, wie Bauern hier und im Ausland leben und arbeiten. Das eigene Wirken ermöglicht es den Kindern, dass sie sich empathisch in Menschen an einem anderen Ort dieser Welt hineinversetzen können und lernen, verschiedene Perspektiven einzunehmen, um ihr eigenes Handeln zu vergleichen, zu bewerten und zukünftig vielleicht anzupassen. Die Kinder können sich selbst mit Menschen auf anderen Kontinenten vergleichen, sich über die Auswirkungen ihres eigenen Handelns auf andere bewusst und für eine nachhaltige Lebensweise sensibilisiert werden.

Wie wurden die Kinder in das Projekt eingebunden?

Die Kinder bilden den Mittelpunkt des Projektes und sind von Anfang bis Ende die handelnden Akteure. Ihr eigenes Erleben von Selbstwirksamkeit in der praktischen Arbeit auf dem Hof, der kognitiven Leistung eines empathischen Perspektivwechsels und die Verknüpfung mit den schulischen Inhalten macht sie stolz und lässt sie Anerkennung durch eigene Leistung erfahren. Sie gewinnen Fähigkeiten, die ihr persönliches Leben, über die Schullaufbahn hinaus, bereichern werden und zusätzlich, im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung, die Grundlage für die Verbesserung des Lebens aller Menschen darstellen. Neben den beschriebenen Inhalte sollen die Besuche auf dem Hof für die Kinder auch Räume zum sozialen Lernen in der Gruppe, zum gemeinsamen Spielen und zum Spaßhaben bieten. Dadurch soll den Kindern ein positives Gemeinschaftsgefühl, Sicherheit und ein freundschaftlichen Umgang in ihrem neu gebildeten Klassenverband mitgegeben werden. Dies ist grundlegend für ein gutes gemeinsames Lernen und macht die Schüler*innen resilienter gegen zukünftige persönliche und gesellschaftliche Krisen.

Rückblick:

Die Tage auf dem Hof Wessels waren rückblickend eine tolle Erfahrung für die beteiligten Schüler*innen und die Lehrkräfte. Die gemeinsame Zeit abseits des engen Lehrplans und das Gefühl "einfach mal zusammen etwas Schönes zu machen" waren Gold wert und man konnte beobachten, wie viele Kinder aufblühten, sich Kontakte knüpften und zeitweise die lange Zeit auf Distanz und der Verzicht auf die üblichen Übergangsrituale, wie Abschiedsfeier in der Kita und Einschulung ein wenig in den Hintergrund rückten. So konnte durch das Projekt an erster Stelle ein Grundstein für das Entstehen einer Klassengemeinschaft gelegt werden.
Am ersten Tag auf dem Hof wurden die Klassen zunächst vom Pädagogischen Personal über den Hof geführt und die verschiedenen Bereiche des Hofes wurden vorgestellt. Für das Projekt relevant waren der Kompost, die große Feuerschale, natürlich der Acker, der Werkzeugschuppen und ein großer überdachter Bereich mit Pflanztischen. Aber es gab auch noch einen Gemüsegarten, die Tiergehege, die Bienenstöcke und ein Backhaus zu sehen. Im Anschluss an den Rundgang wurden kleine Kartoffeln verteilt und gemeinsam genau unter die Lupe genommen. Die Kinder wurden auf die Kartoffelaugen, die späteren Triebstellen, die Tatsache, dass alle Kartoffeln auch eine Kartoffelmama haben und die südamerikanische Herkunft aufmerksam gemacht. Auch, dass Kartoffelfrüchte über der Erde wachsen und im Gegensatz zu den Wurzelknollen nicht essbar sind, war für fast alle Kinder neu. Danach ging es dann an die Aufgabe des Tages und die kleinen Kartoffeln wurden in Anzuchttöpfe gesetzt. Die kleinen Kartoffeln wurden also in ein Bett aus Erde vom Kompost gelegt, die mit vereinten Kräften und einem Bollerwagen vom Kompostberg geholt werden musste, und sie wurden mit Holzkohle eingerieben, damit sie gegen Bakterien und Pilze geschützt sind. Die Töpfchen wurden dann gesammelt und kamen in die warme Stube zum Treiben. Parallel wurde eine besondere Anbaumethode in Stroh vorbereitet, die in Österreich genutzt wird. So kann später ein Vergleich der Methoden gemacht werden.
Am zweiten Hoftag war die Tagesaufgabe den Kartoffelacker herzurichten. Das bedeutete zunächst, dass den Schüler*innen die benötigten Werkzeuge gezeigt und erklärt wurde. Auf dem Hof gibt es keinen Trecker und so war gemeinsames Anpacken angesagt. Die Arbeit war wirklich hart, aber mit vereinten Kräften gelang es, die Erde wieder nutzbar zu machen. Während der Arbeit auf dem Acker gaben die Pädagogischen Mitarbeiter*innen kurze Impulsfragen in die Klassen und fragten u.a. ob die Kartoffeln im Supermarkt alle aus Deutschland kommen, oder wie die Arbeit der Kartoffelbauern in anderen Ländern aussehen könnte und, ob in der Wüste wohl auch Kartoffeln wachsen können.
Am dritten Hoftag war nun endlich das Einpflanzen der angezogenen Kartoffelsetzlinge geplant. Alle Kinder durften ein Töpfchen pflanzen aber konnten nicht auf ihr eigenes bestehen. Warum dies so ist, wurde von einem der Wächter erklärt: Früher war es üblich, dass die Felder gemeinsam beackert wurden und das Ernten gemeinsam eingefahren werden. Denn jeder Bauer konnte mal eine Missernte einfahren und in solchen Fällen unterstützte man sich dann gegenseitig. Die Kartoffeln wurden also ganz vorsichtig aus den Töpfchen geholt, ganz behutsam und ohne welche der vielen Kartoffelansätze abzubrechen, in die Erde gelegt und sanft zugedeckt.
Am vierten Hoftag war Ernten angesagt. Was den meisten Kindern besonders Spaß machte und zu einem regelrechten Wettstreit um die meisten und die größten Kartoffeln im Beutel sorgte. An einem schönen Lagerfeuer am Rand der Glut wurden einige Kartoffeln gegart und probiert.
Für die Schüler*innen war es eine interessante, lehrreiche Zeit auf dem Hof Wessels.