"Lesefaul" war gestern - von Anfang an die Lust am Lesen wecken!

Ansprechpartner:

Herr Korf

Institution:

Martinischule

  • Zur Baut 8
    45701 Herten

Beschreibung und Ziele:

"Die Kinder werden immer lesefauler!", so oder so ähnlich beschreiben Pädagog*innen und Eltern das Gefühl, dass aufkommt, wenn, mit Blick auf die Lesemotivation, Vergleiche zu früheren Jahrgängen oder zur eigenen Schulzeit gezogen werden. Zugegeben, dies ist selbstverständlich eine grobe Verallgemeinerung der Situation rund um die Lust am Lesen an unseren Grundschulen. Was sich aber aktuellen Studien entnehmen lässt, ist die Feststellung, dass die Fähigkeit des "Sinnverstehenden Lesens", also nicht nur das Wiedergeben der Buchstabenreihen sondern auch einer Geschichte folgen und Informationen herausfiltern zu können, im Durchschnitt bei jede*r fünften Drittklässler*in nicht mehr ausreichend ausgeprägt ist. Eine mögliche Erklärung könnte eine verstärke Nutzung neuer digitaler Medien, wie TV, Tablet, Handy oder Konsole, darstellen. Die modernen Medien bieten besonders für jüngere Kinder einen leichten, hauptsächlich visuellen Einstieg über Videos und erfordern somit oft kein eigenes Zutun mehr. Die Kinder werden zu reinen "Konsumenten". Lesen macht Spaß und fördert die Kindesentwicklung auf vielfältige Weise. Lesenlernen ist jedoch anstrengend und benötigt regelmäßige Übung. Dadurch verliert das Buch in der kindlichen Abwägung leider häufig gegen das Tablet. Selbstverständlich setzen auch digitale Medien in vielfältiger Weise Leseanreize. Die beschriebene Herausforderung bleibt jedoch die gleiche. Die Aufgabe muss also heißen, dass Kindern die Lust am Lesen gleich am Anfang und parallel zum Lesenlernen in der Schule mitgegeben wird. Zwang ist hierbei nicht hilfreich. Vielmehr müssen das Leseumfeld und die Lesesituationen von sich aus locken und begeistern. Ein weiterer Grund könnte in dem mehrsprachigen Hintergrund einer wachsenden Zahl der Schüler*innen liegen. Auch, wenn es wissenschaftlich bereits seit einigen Jahren klar ist, dass Mehrsprachigkeit eine Bereicherung darstellt, es keine unterschiedliche Wertigkeit bei Sprachen geben dürfte und die Sprachentwicklung in mehrsprachigem Kontext mit der richtigen Begleitung und den selbigen Sprachvorbildern, wie bei einsprachigen Kindern verläuft, wird konsequent auf Deutsch gesetzt. Einerseits ist dies nachvollziehbar, da die Bildungssprache an unseren Schulen nun mal Deutsch ist. Wer sie nicht ausreichend beherrscht, ist vom Bildungserfolg nahezu ausgeschlossen. Andererseits verschenkt man wertvolle Ressourcen, wenn man das Bewusstsein für die Mehrsprachigkeit bzw. die Familiensprachen der Kinder mit Zuwanderungsgeschichte gänzlich aus dem Blick lässt und Deutsch in allen Lebensbereichen der Familien einfordert. Dies führt nämlich häufig dazu, dass die Erziehungsberechtigten ihre Kinder beim Thema Schule kaum bis gar nicht unterstützen können, eine innere Abwehrhaltung gegen das System Schule entwickeln und Lesen keine Rolle im Alltag der Familien mehr spielt. Mehrsprachige Literatur kann hier ein Baustein sein, der Wertschätzung für die Familiensprachen symbolisiert, Lesen, als schönes gemeinsames Erlebnis für Eltern und Kinder, erfahrbar macht und Eltern zu positiven Lesevorbildern für ihre Kinder werden lässt.

Die Martinischule wird zu Beginn der Herbstferien für ca. zweieinhalb Jahre an einen Ausweichstandort umziehen. Das alte Gebäude wird dann einer neuen, nach modernen Maßstäben geplanten Schule weichen. Bereits der Ausweichstandort bietet ein Vielfaches an Platz, so dass die Schulbibliothek nun in einem eigenen großen Raum untergebracht sein wird. Diese Gelegenheit soll genutzt werden und ein Neustart mit überarbeitetem Konzept erfolgen. Dabei stehen die beschriebenen Schwerpunkte im Fokus. 1. Eine Schulbibliothek muss freundlich, hell und einladend sein. Die Gestaltung und Ausstattung der Räumlichkeit zieht die Kinder bereits durch eine hohe Aufenthaltsqualität an und macht neugierig auf Lesen. Es soll eine "Lesen macht Spaß"-Haltung vermittelt werden, die freiwilliges Lesen fördert. Zudem sollen die, im Unterricht erlernten, Fähigkeiten und Techniken zur Textanalyse und zur Recherche und Erfassung von Informationen angewendet werden können. Benötigt werden verschiedene Möbelstücke: Eine Ausleitheke, die den ehrenamtlichen Bibliotheksdamen einen festen PC-Arbeitsplatz für die Sicherheit und Distanz während er Corona-Zeit. Bücherregale, die auf Schwerlastrollen geschraubt, vielfältige Möglichkeiten zur Raumgestaltung bieten. Büchertröge auf Rollen, die mit altersgerechter Literatur auch den jüngeren Kindern das Stöbern ermöglichen. Sitzsäcke und Sitzkissen, die von den Kindern ausgelegt werden können, um sich zum Lesen in der Lesepause zurückzuziehen, Vertretungsstunden zu verbringen oder sich für Gruppenarbeiten zusammenzusetzen. Ein Bücherbaum. Dies ist ein freistehendes Bücherregal in der Form eines Baumes, an dessen Ästen die Regalböden angebracht werden und z.B. passende Bücher zu den Themen Nachhaltigkeit und Naturschutz einen besonderen Platz bekommen. Jedes Regal könnte in dem hier beschriebenen Vorhaben auch einem Herkunftsland gewidmet werden. Alle Familiensprachen werden so in Ihrer Einzigartigkeit gewürdigt und sind gleichzeitig doch Teil eines großen Ganzen. Unter seinem schützenden "Blätterwerk" und bequem in einem grünen Sitzsack chillend, liest es sich dann umso besser. Die Errichtung des Bücherregals soll in einer Vater-Kind-Aktion erfolgen. Für die gesamte Raumausstattung sollen Materialien verwendet werden, die eine schnelle und sichere Desinfektion in der aktuellen Pandemie ermöglichen und somit für die Kinder den Zugang zur Literatur sicherstellen. 2. Die Schulbibliothek macht Mehrsprachigkeit zum Thema. Eltern ist dies bekannt, da entsprechende Informationen und Einladungen verbreitet wurden und thematische Elternabende bzw. Vorträge darauf aufmerksam machen. Eltern finden in der Schulbibliothek Vorleseliteratur in den Familiensprachen. Ein eigenes Bücherregal soll angeschafft werden, um die herausragende Stellung der Mehrsprachigen Literatur deutlich machen.

Wie wurden die Kinder in das Projekt eingebunden?

Die Kinder stehen im Mittelpunkt des gesamten Angebotes der Schulbibliothek an der Martinischule. Alle Kinder lernen ab dem zweiten Halbjahr der ersten Klasse die Räumlichkeiten und Personen kennen, bekommen das Angebot vorgestellt und machen einen Bibliotheksführerschein. Ab der zweiten Klasse kommen alle Jahrgänge einmal in der Woche für eine Schulstunde in die Bibliothek, um Bücher auszuleihen, zurückzugeben und nach weiteren interessanten Exemplaren zu stöbern. Dabei ist bereits für die ersten Leseschritte ausleihbare Literatur, passend zum Deutschlehrwerk, vorhanden. Die kreative und außergewöhnliche Raumgestaltung durch den Bücherbaum soll von Beginn an einen positiven Eindruck bei den Kindern hinterlassen. Neugierde soll geweckt werden und bevor das Thema "Buch" in den Fokus rückt, soll Vorfreude auf den Besuch der "Schulbibliothek" geweckt werden. Aktuell gelten die Corona-Regeln, so dass regelmäßig desinfiziert und gelüftet wird und nur Kleingruppen zulässig sind. Für einige Kinder ist eine große Pause mit Freispiel eher stressig als entspannt. Mehrmals die Woche wurde daher vor Corona eine Lesepause angeboten. Durch den beengten Raum und die fehlenden Sitz- und Rückzugsmöglichkeiten war dies aber nicht mehr durchführbar. Die passende Ausstattung in Verbindung mit dem erweiterten Platzangebot am neuen Standort lässt auf eine Wiederaufnahme dieses Angebotes hoffen. Die Recherche und Bewertung von Informationen ist ein wichtiger Aspekt in der schulischen Förderung der Medienkompetenz an Grundschulen. Die Bibliothek bietet allen Kindern dafür einen Gruppenarbeitsplatz und einen ausreichenden Bestand an Sachbüchern. Durch den Ausbau des mehrsprachigen Bestandes werden für die Kinder und Ihre Eltern verschiedene Leseangebote, wie Dialogisches Vorlesen in der Familiensprache, und Leseaktionen mit Rätseln oder Bastel- oder Kochaktion ermöglicht.

Rückblick:

Rückblick auf das Projekt ""Lesefaul" war gestern - von Anfang an die Lust am Lesen wecken!"
an der Martinischule Herten-Westerholt

Wir haben uns sehr über die Mittelzusage gefreut, denn damit war klar, dass wir unsere beantragten Ideen auch in die Tat umsetzen können. Durch die Corona-Schutzmaßnahmen konnte die Schule längere Zeit nicht betreten werden und nach der Rückkehr zum Präsenzunterricht waren die Aufenthalte in der Schule stark eingeschränkt. Die Motivation war die meiste Zeit auf einem hohen Niveau, trotzdem lange gewartet werden musste, bis wir starten konnten.
Am Ausweichstandort wurde der Raum für die neue Bücherei mit allen Beteiligte in Augenschein genommen und die eingereichte Konzeptidee auf die konkrete Situation vor Ort übertragen siehe Bild 1.
Nun konnten endlich die benötigten Dinge angeschafft werden. Hier musste durch die Pandemie teilweise umgedacht, Geduld gehabt oder nach Alternativen gesucht werden. Unter anderem mussten geplante Bestellungen bei einem schwedischen Möbelhaus verworfen werden, da die hohe Nachfrage für unverhältnismäßig lange Lieferzeiten sorgte, die den Zeitplan des Projektes gesprengt hätten.
Im ersten Schritt wurden die kleinen Bücherbäume gebaut. Als Basis wurde gebrauchten Aufstellern aus einem Möbelhaus neues Leben eingehaucht. Regalböden und Buchstützen wurden selbst aus Rahmenholz angefertigt und bilden die Stämme und die Äste. Das Blätterwerk wurde aus gebrauchten Hohlkammerplakaten gefertigt, die mit einem Blättermotiv beklebt wurden siehe Bild 2.
Die Äste des große Bücherbaumes wurden in viel liebevoller Heimarbeit angefertigt und dann an den Baumstamm, der aus Kantholz und einem umgebauten Kallax-Regal auf Schwerlastrollen besteht, angebracht siehe Bild 3.
Ein großer Rasenteppich, grüne Sitzsäcke und ein großformatiges, selbstgerahmtes Bild unterstreichen das Thema "Bücherwald" des Raumes zusätzlich siehe Bild 4.
Abschließend wurde mehrsprachige Literatur, in den Familiensprachen der Kinder an unserer Schule, angeschafft und ergänzt nun bestens den bereits vorhandenen Bestand.
Eine regelmäßige Ausleihe durch die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen konnte durch Wechselunterricht, "Lernen auf Distanz" und Corona-Schutzregeln bislang nicht anlaufen und auch die Mehrsprachige Literatur hat durch das Betretungsverbot der Schule noch keine Abnehmer*innen gefunden.
Kleine Schüler*innengruppen durften die Bücherei bereits bei einer kleinen Führung durch die neue Schule kurz besuchen. Die allgemeine Begeisterung und Aussagen, wie "Hier will ich wieder sein und gemütlich lesen!", lassen den Schluss zu, dass die kreative Umgestaltung des Raumes den Schüler*innen sehr gut gefällt.
Das zweite Ziel, also mit der kreativen Gestaltung der Bücherei einen Ort zu schaffen, der den Schüler*innen so gut gefällt, dass sie sich allein davon bereits magisch angezogen fühlen und unterbewusst eine positive Verknüpfung zum Lesen aufbauen, scheint somit erreicht worden zu sein. Dies lässt einen, trotz der vielen Herausforderungen, optimistisch in die Zukunft blicken.