Theaterprojekt an der Förderschule Sehen

Ansprechpartner:

Frau Peters

Institution:

Focus Schule, LWL Förderschule, Förderschwerpunkt Sehen, Gelsenkirchen

  • Lasthausstraße 10
    45894 Gelsenkirchen

Beschreibung und Ziele:

Die jahrgangs- und bildungsgangübergreifende Theaterprojektwoche in der LWL Focus-Schule mit dem Förderschwerpunkt Sehen richtet sich an alle Schüler*innen der Klassen 1-10 und Lehrer*innen der Schule. Die z.Z. 70 Schüler*innen der Schule entwickeln gemeinsam eine Theatervorstellung, die am letzten Tag gemeinsam zur Aufführung gebracht wird. Dazu werden sich die Schüler*innen der Grundschule hauptsächlich der technischen Umsetzung des Stückes widmen, während die Schüler*innen der Sekundarstufe 1 die Möglichkeit haben sich als Schauspieler*innen auszuprobieren. Eine professionelle Theaterpädagogin vom Consol Theater, die um die Herausforderung beim Vorliegen von Sehbehinderung und Blindheit weiß, und mindestens vier Lehrer*innen der Schule werden mit den Schüler*innen der Sekundarstufe 1 zu einem zuvor gewählten Thema Szenen erarbeiten, die dann in einer Rahmenhandlung zusammengefügt werden. Die Schüler*innen der Grundschule werden am ersten Tag der Projektwoche das Musiktheater im Revier besuchen und dort einen Blick hinter die Kulissen werfen. Dabei recherchieren sie, welche Aufgabenbereiche es rund um eine Theateraufführung gibt. Anschließend bieten die Lehrkräfte der Schule Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen Bereichen der Theatertechnik an, in denen die Grundschüler*innen zum Entstehen des Stückes beitragen können. Diese Bereiche sind "Maske", "Bühnenbild und Requisite", "Kostüm", sowie "Veranstaltungsorganisation Programmheft, Eintrittskarten etc.". Darüber hinaus erhalten alle Grundschüler*innen einen zweistündigen Theaterworkshop mit dem Schwerpunktthema "Mimik und Gestik" bei der Theaterpädagogin. Schüler*innen der Sekundarstufe 1, die nicht als Schauspieler*innen auf der Bühne stehen wollen, haben die Möglichkeit sich in einer Arbeitsgruppe "Licht und Ton" einzubringen.

Kinder und Jugendliche mit einer Sehbehinderung oder Blindheit im Folgenden als "Sehschädigung" zusammengefasst lernen in ihrer Schullaufbahn nicht "nur" Deutsch, Mathematik oder Englisch. Sie müssen sich zusätzlich mit Lerninhalten aus den Bereichen "Förderung des Sehens", "Wahrnehmung und Lernen", "Orientierung und Mobilität "Lebens- und alltagspraktische Fertigkeiten", "technische Hilfsmittel", "Lebensplanung, Beruf und Freizeit" sowie "Soziale Kompetenz / Umgang und Miteinander mit sehenden Mitmenschen" auseinandersetzen. Durch das gezielte Erlernen diverser Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten in diesen Bereichen erfahren die Schülerinnen und Schüler, wie sie mit ihrer Sehschädigung ein möglichst eigenständiges, selbstbestimmtes Leben in sämtlichen Bereichen Arbeit, Freizeit, Sozialverhalten führen können. Das Theaterspiel bietet bei der Vermittlung der genannten Kompetenzen eine besonders vielfältige Methode. Der Mensch lernt im Regelfall, besonders im Kindesalter, über Nachahmung. Dabei beobachtet er das Verhalten seiner Mitmenschen, kopiert dieses und testet so im Alltag ganz unbewusst sozial akzeptierte Verhaltensweisen wie z.B. das Verhaltenskonzept in einem Restaurant, benötigte Fertigkeiten zum Beispiel das Benutzen von Messer und Gabel oder Sicherheit im Straßenverkehr sowie Kommunikationsstrategien z.B. nonverbale Kommunikation, situationsadäquate Mimik. Kinder und Jugendliche mit Sehschädigungen können dieses Lernen durch Nachahmung kaum oder gar nicht nutzen. Was Gleichaltrige "nebenbei" mitnehmen, müssen diese jungen Menschen gezielt vermittelt bekommen. In der Theaterpädagogik erhalten die Schülerinnen und Schüler mit einer Sehschädigung die Möglichkeit, sich in einem geschützten Rahmen auszuprobieren und gezielte Rückmeldungen auf ihre Verhaltensweisen in bestimmten Situationen zu erhalten, ohne dadurch im Alltag stigmatisiert oder verurteilt zu werden. Die Förderung ist ebenso vielfältig wie die Methodik, hier sind nur einige ausgewählte Bereiche aufgelistet: - Förderung der Identitätsentwicklung durch die Auseinandersetzung mit der eigenen Sehschädigung, den eigenen Stärken und Schwächen - Förderung der Fähigkeit, sich in der visuell dominierten Welt zu orientieren, mit sehenden Mitmenschen in Kontakt zu treten, sich den Erwartungen einer visuell orientierten Welt anzupassen, über die eigene Sehschädigung zu sprechen und aufzuklären - Förderung der Kommunikationsfähigkeit durch die Thematisierung und Erarbeitung einer angemessenen Körpersprache Gestik und Mimik Bewusstsein über den Ausdruck von Emotionen Körperbewusstsein und Körperschema Wissen über die eigene visuelle Wirkung auf andere - Förderung des sozialen Miteinanders durch das Erleben einer Gemeinschaft auf und hinter der Bühne, durch das Einbringen der eigenen Stärken und akzeptieren der eigenen Schwächen sowie der Schwächen anderer - Förderung des Selbstbewusstseins und Selbstwertgefühls durch das Erleben, Teil eines Ganzen zu sein, und einen Beitrag leisten zu können - Förderung von Orientierung und die Wahl geeigneter Hilfsmittel beim Agieren auf der Bühne - Förderung der lebenspraktischen Fertigkeiten durch das Ausprobieren verschiedener Alltagstätigkeiten im "Spiel" begleitendes Erproben im "echten" Alltag - Berufsvorbereitung, einerseits durch Förderung genannter Kompetenzen in Vorbereitung kommunikativer Situationen in Bewerbungsgesprächen und Berufsalltag andererseits durch Ausprobieren verschiedener Berufsarten im Spiel, Erprobung der eigenen Möglichkeiten und Stärken in dem "gespielten" Beruf fördern einen realistischen Blick auf die eigenen Perspektiven All diese Kompetenzen können in einem geschützten Rahmen sensibel gefördert werden. Irritationen, Infragestellungen oder Unsicherheiten können gemeinsam bearbeitet und ohne negative Erfahrungen von außen thematisiert werden. Unabhängig vom regulären Schulalltag soll die Theaterprojektwoche unsere Schülerinnen und Schüler stärken, um selbstbewusst in ihre ganz individuelle Zukunft zu gehen. Dabei steht nicht ihre Sehschädigung als Behinderung im Vordergrund. Wir möchten ihnen vielmehr ihre ganz eigenen Wege aufzeigen, die sie mit den ihnen gegebenen Möglichkeiten gehen können. Mit professioneller Unterstützung durch das Consol Theater Gelsenkirchen und eine ausgebildete Theaterpädagogin erhoffen wir uns eine bestmöglich zugeschnittene Projektwoche für die Bedürfnisse unserer Schülerinnen und Schüler.

Wie wurden die Kinder in das Projekt eingebunden?

Im Vorfeld der Projektwoche wählen die Schüler*innen der Sekundarstufe 1 selbst ein Thema für die Projektwoche aus. Während der gesamten Zeit haben die Schüler*innen in allen Bereichen der Projektwoche die Gelegenheit sich aktiv einzubringen, sich auszuprobieren und ihre eigenen Vorstellungen einfließen zu lassen. Die Theaterpädagogin und die Lehrkräfte stellen Mittel und Hilfestellung in ihren Arbeitsbereichen zur Verfügung, um die Kinder bei der Umsetzung ihrer eigenen Ideen zu unterstützen.

Rückblick:

Den Auftakt der Projektwoche bildete ein Besuch der Grundschule im Musiktheater MIR in Gelsenkirchen. Die Schüler*innen erlebten dort eine Führung "Hinter den Kulissen". Dabei durften die Schüler*innen "Theaterluft" auf der Bühne schnuppern sowie die Requisiten, Masken und Kostüme von Theaterstücken sehen und ertasten. Die Schüler*innen waren erstaunt, mit welchen Tricks im Theater gearbeitet wurden. So sorgte ein Mitarbeiter dafür, dass es mitten im Theater anfing zu schneien.

Eine Theaterpädagogin des Consoltheaters in Gelsenkirchen begleitete uns während der Projektwoche. Im Laufe der Woche erprobten alle Schüler*innen der Grund- und Hauptschule ihre schauspielerischen Fähigkeiten. In praktisch-theaterpädagogischen Übungen und Aufgaben wurden Mimik und Gestik, Körperhaltung und Gefühlsausdrücke erfahrbar gemacht und ausgedrückt.

Als Hauptaufgabe der Projektwoche entwickelte die Theaterpädagogin zusammen mit einigen Lehrkräften ein Theaterstück mit den Schüler*innen der Hauptschule. Dabei gaben die Aufsichtspersonen Impulse, die durch die Schüler*innen aufgegriffen und in ihre ganz eigenen Szenen umgesetzt wurden.
Das Stück trug den Titel "Beef im Focus" und thematisierte Streitsituationen und deren Folgen an Schulen. In Projektgruppen wurden die Themen Bühnenbild, Maske, Requisiten, Organisation und Geräusche behandelt. Es entstand ein tolles Bühnenbild, in das die Schüler*innen ihre eigenen Vorstellungen von Klassenräumen und Schulhöfen kreativ einbrachten. Die Umsetzung erfolgte mit verschiedenen sowohl taktil als auch visuell ansprechenden Materialien.

In der Masken- sowie der Kostümgruppe entstanden schöne Masken aus Gips sowie Gang-Tattoos auf Strumpfhosen und zwei lebensgroße Handys, die den Rahmen für die Theateraufführung bildeten.
Für die richtige Bestuhlung sowie die Erstellung, Vergabe und Kontrolle der Eintrittskarten sorgten die Schüler*innen der Projektwoche "Organisation". Die Eintrittskarten wurden auf dem Computer entwickelt und formatiert, wodurch die Schüler*innen ganz nebenbei ihre Kenntnisse im Umgang mit dem Schreibprogramm "Word" erweiterten.

Am Ende der Projektwoche wurde das Theaterstück unter tönendem Applaus aufgeführt. Die Darbietung begann mit einer Verbalisierung des Bühnenbildes durch die Schüler*innen dieser Projektgruppe. So bekamen alle Zuschauer*innen unabhängig von ihrem Sehvermögen eine Vorstellung vom Hintergrund des Theaterstücks. Nachdem die Maskengruppe ihre selbst produzierten, ausdrucksstarken Masken vorgeführt und beschrieben hatte, begann die Uraufführung von "Beef im Focus" mit vielen Details in Geräusch, Ton, Kostüm und Text. Die vier dargestellten Szenen weckten bei allen Zuschauer*innen Anteilnahme, da jede/r schon einmal mit solchen Erlebnissen konfrontiert war. Der Projektwochenabschluss stellte ein passendes Rahmenprogramm für die Entlassfeier der Abschlussschüler*innen dar. Insgesamt war die Projektwoche ein voller Erfolg. Die Schüler*innen waren trotz der großen Hitze in der Woche mit hoher Motivation dabei und genossen es künstlerisch aktiv zu sein. Egal in welcher Projektgruppe sie auch arbeiteten, allen halfen die alternativen Lernorte und -methoden kurz vor den ersehnten Sommerferien, noch einmal ihre Stärken zu zeigen und Selbstbewusstsein zu tanken.