Städtische Gesamtschule Recklinghausen-Suderwich
Ungefähr 75 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland nutzen jeden Tag Smartphones und Internet. Das Smartphone ist ein ständiger Begleiter, mit dem tagebuchartig das eigene Leben im Internet verbildlicht und vertextlicht wird. Social Communities wie Facebook, Youtube, Twitter und andere sind zu einem elementaren Teil der Lebens- und Erfahrungswelt junger Menschen geworden und nehmen einen großen Teil ihrer Freizeitgestaltung ein. So eröffnen sich ihnen neue Räume der Partizipation am globalen System der Medienkommunikation. Eine hohe Nutzungskompetenz, die größtenteils autodidaktisch, zu einem kleinen Teil auch im Computerunterricht der Schulen erlernt wird, steht im Gegensatz zu einem unreflektierten und häufig nachlässigen Umgang mit persönlichen Daten und einer erschreckenden Hilflosigkeit hinsichtlich der Auswahl und der Bewertung der angebotenen Informationen. Zwar wissen die meisten Kinder und Jugendlichen sehr gut Bescheid, was man mit den von ihnen im Internet veröffentlichten Daten machen kann. Auf der anderen Seite wollen und sollen sie aber an der medien-kommunikativen Gesellschaft vollständig teilhaben. Das Phänomen Cyberbullying - das Mobbing mit Hilfe neuer Medien - hat parallel zur verstärkten Nutzung virtueller sozialer Gemeinschaften zugenommen und wartet mit prekären Ausformungen auf, denen Päda¬gogInnen, LehrerInnen und Eltern oft hilflos gegenüberstehen. Fast ein Drittel aller deutschen Jugendlichen geben an, "dass in ihrem Bekanntenkreis schon einmal jemand per Handy oder Internet "fertig gemacht" wurde." Extremfälle, die von Mobbing im Internet in der Zeitung erwähnt werden, sind nur die Spitze des Eisbergs. Das große Problem bei Cyberbulling ist, dass das Mobbing nicht mehr nach der Schule aufhört, sondern auch Zuhause im sonst geschützten Privatraum stattfindet. Mobbing wird somit zu einem allgegenwärtigen Problem und Opfer sind dauerhaft betroffen und Mobbingattacken ausgesetzt. "Soci@l medi@l" ist ein innovatives Seminar mit zielgruppen- und altersgerechten Einheiten, das als Projekttag in Schulklassen und Jugendeinrichtungen durchgeführt wird. Das Besondere am Projekt ist die Emotionalisierung der Probleme Datenschutz im Internet und Cyberbulling. Dies führt zu nachhaltigen Ergebnissen. Für die fünften und sechsten Klassen sollen nach den Osterferien sechs Projekttage zum Thema "Soziale Netzwerke" durchgeführt werden. Zu Beginn eines solchen Projekttags erhalten die SchülerInnen nach dem obligatorischen Unterschreiben der Nutzungsbedingungen, einen Profilbogen ausgehändigt. Nun können sie selbst ihr persönliches Social-Community-Profil erstellen. Spiele, die Computerspielen nachempfunden sind, werden offline gespielt, um die Mechanismen vor Augen zu führen. Später werden alle Profilbögen eingesammelt und anschließend öffentlich im Schulgebäude aufgehängt. Für gewöhnlich sind die SchülerInnen nicht damit einverstanden, dass ihre Profile dahingehend veröffentlicht werden, doch dann werden sie auf ihre Unterschrift unter den Nutzungsbedingungen, die dies explizit erlauben, hingewiesen. Es folgt eine angeregte und persönlich berührte Diskussion über den Umgang mit persönlichen Daten und was es eigentlich heißt, wenn man etwas im Internet veröffentlicht. Dadurch wird den SchülerInnen bewusst, welche ihrer Daten für die Öffentlichkeit geeignet sind und welche nicht. Die Profile werden schließlich nach kurzer Zeit abgehängt. Der Lerneffekt eines solchen praktischen Beispiels mit einem hohen emotionalen Charakter ist deutlich höher und wirkt nachhaltiger, als andere Methoden. Diese Einheit bildet den Kern des Seminars. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Rollenspiele zu den Themen Mobbing, Cyberbulling und Happy Slapping, bei dem die SchülerInnen selbst erfahren, was es bedeutet, Opfer in solchen Situationen zu sein. Vorab werden Begrifflichkeiten erklärt und definiert. Weitere Einheiten zur Manipulation durch Bilder und Videos, zum Jugendmedienschutz und zu Urheberrechtsverletzungen durch illegale Musik- und Filmdownloads runden das Seminar ab. In einer Abschlussreflexion werden die Seminarinhalte ausführlich mit den Teilnehmenden besprochen. Es wird abschließend nochmals intensiv auf die Bedürfnisse der Teilnehmenden eingegangen. Projektpartner für die Durchführung ist der medienerfahrene Waldritter e.V., der in der Vergangenheit verschiedenste Projekte zur Stärkung einer kritischen Medienkompetenz durchgeführt hat, unter anderem gefördert von der Landesanstalt für Medien NRW.
"Soci@l medi@l" richtet sich an SchülerInnen der unteren Klassen der Sekundarstufe 1. Durch den Übergang auf eine neue Schule kommen sie verstärkt mit älteren SchülerInnen in Kontakt und eifern diesen nach. Oftmals geschieht dies ohne die nötige Reflexion. Ihre Lebenswelt ist maßgeblich von den neuen Medien beeinflusst. Das Internet ist ein wichtiges Erfahrungsfeld für die SchülerInnen. sie probieren sich aus, testen ihre Grenzen und ihre Selbstwirksamkeit über "social communities" oder nutzen diese, um den Kontakt zur Peer-Group aufrecht zu erhalten. Die Entwicklung von kritischer Medienkompetenz ist somit unerlässlich, um die Partizipation am gesellschaftlichen Leben zu fördern beziehungsweise aufrechtzuerhalten und den verantwortungsvollen Umgang mit Medien zu unterstützen. Das Erlernen eines verantwortungsvollen Umgangs mit neuen Medien ist besonders wichtig, um Probleme wie Cyerbulling zu verhindern. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass die SchülerInnen lernen, Prioritäten zu setzen, um über Art und Umfang des Medienkonsums zu entscheiden und dies zu reflektieren. In Bezug zur Selbstwirksamkeit und Medienkompetenz ist es entscheidend, das Potenzial des Internets für die SchülerInnen zu erkennen. Sie haben durch verschiedene Plattformen die Möglichkeit, sich selbst darzustellen und für sie relevante Themen aus den verschiedenen Lebensbereichen mit anderen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu diskutieren und so am gesellschaftlichen Leben, das zunehmend auch virtuell stattfindet, teilzuhaben. Das Internet kann Kreativität fördern, Informationen liefern, zur Unterhaltung dienen, Kommunikationsmittel sein und vieles mehr. Im Projekt soll über mögliche Gefahren von Internet und sozialen Netzwerken informieren. Dabei wird auch auf den Umgang mit sensiblen Daten eingegangen. Die Projektziele orientieren sich auch an den Kompetenzrahmen des "Medienpass NRW": Bedienen & Anwenden, Informieren & Recherchieren, Kommunizieren & Kooperieren, Produzieren & Präsentieren, Analysieren & Reflektieren.
Die teilnehmenden Kinder entscheiden durch ihre Erfahrungen, ihr Vorwissen und ihren persönlichen Bedarf selbst, was sie im Projekt behandeln wollen. Dies wird besonders bei den Rollenspiel-Szenen deutlich. Hier werden bewusst Szenen aus dem Alltag der Kinder aufgegriffen und sie können sich selbst entscheiden, wo sie etwas lernen bzw. erfahren möchten. Der partizipatorische Ansatz sorgt auch dafür, dass eine Vertrauensbasis zu den TeamerInnen geschaffen wird, die bewusst nicht Teil des üblichen Lehrerkollegiums sind, sondern dem externen Verein Waldritter e.V. angehören. So gibt es während des ganzen Projektes immer auch die Möglichkeit, eigene Fragen zu stellen und eigene Themen zu behandeln. Auch im Nachgang wird es die Möglichkeit geben, die ProjektteamerInnen zu kontaktieren, wenn später einmal Probleme in oder mit sozialen Netzwerken, mit Cybermobbing oder mit anderen medienspezifischen Situationen auftreten.
Durchführungszeitraum: 13. bis 17. April 2015
Ziel: Entwicklung kritischer Medienkompetenz, Erlernen eines verantwortungsvollen Umgangs mit
Neuen Medien, Information und Aufklärung über die Risiken in Sozialen Netzwerken
Zielgruppe: Jugendliche im Alter von 11-13 Jahren
Kooperationspartner:
· Städtische Gesamtschule Recklinghausen-Suderwich
· Waldritter e.V.
In der 16. Kalenderwoche vom 13. bis 17. April 2015 fanden für sieben Klassen Präventions-Projektetage
an der Städtischen Gesamtschule Recklinghausen-Suderwich statt. Durchgeführt wurden die Seminartage
jeweils mit 28 bis 30 Schüler*innen der Jahrgänge 5 und 6. Für die Durchführung wurde auf den Verein
Waldritter e.V. zurückgegriffen, der bereits zahlreiche Medienkompetenzangebote u.a. auch an der
Gesamtschule Recklinghausen-Suderwich durchgeführt hat, und durch entsprechende
Medienteamer*innen die nötige Erfahrung und das nötige Know-How mitbringt. Zudem sorgen externe
Referent*innen bei den Schüler*innen für die nötige Abwechslung und sie können sich in Diskussionen
offener als gegenüber ihren üblichen Lehrer*innen äußern.
Wie im Förderantrag beschrieben fand zunächst ein Spiel zum Thema Social Community statt. Die
teilnehmenden Schüler*innen erstellten auf Papier ihr eigenes Profil und spielten verschiedene Tafel- und
Bewegungsspiele, die Computerspielen nachempfunden worden sind. Der hier gemachte Spaß wurde
schnell erst, als alle Profilbögen eingesammelt und öffentlich im Schulgebäude aufgehängt worden sind.
Erst jetzt wurde den Teilnehmenden bewusst, wofür sie zu Beginn ihre Unterschrift geleistet hatten, da
niemand von ihnen sich ernsthaft die Nutzungsbedingungen des Spiels durchgelesen hatte, obwohl dies
selbstverständlich für jeden ersichtlich auslagen. Es folgt eine angeregte und persönlich berührte
Diskussion über den Umgang mit persönlichen Daten und was es eigentlich heißt, wenn man etwas im
Internet veröffentlicht. Dadurch wird den Teilnehmenden bewusst, welche ihrer Daten für die
Öffentlichkeit geeignet wären und welche nicht.
Die Profile werden schließlich wieder abgehängt, der Lerneffekt blieb jedoch erhalten.
Anschließend wurden mit den Schüler*innen neue Trends in sozialen Netzwerken begutachtet, um
herauszufinden, auf was man sich in Zukunft im Umgang mit Schüler*innen einstellen muss. Ein immer
häufiger werdendes Phänomen ist momentan die Beleidigung von Mitschüler*innen durch entsprechende
Gruppen über die Smartphone-Chat-Applikation WhatsApp. Dies wurde auch während der Projekttage
deutlich. Vor Ort konnte dies unmittelbar thematisiert und kritisch reflektiert werden.
Auch die Verbindung sozialer Netzwerke und die Übernahme von Instagram und WhatsApp durch
Facebook oder die Verknüpfung von YouTube und Google waren den Schüler*innen nicht bewusst.
Einige wollten dem Facebook-Konzern ungern ihre Daten überlassen, bewegten sich aber sehr offen auf
WhatsApp, ohne dies miteinander in Verbindung zu bringen.
Hierzu gab es auf dem Elternstammtisch der Klasse 6A am Mittwoch, den 29.April 2015 von einer
Medienteamerin einen zusätzlichen Input zum Thema 'kritische Medienkompetenz'. Das Angebot wurde
erfreut aufgegriffen und führte zur einer lebhaften Diskussion über die Nutzung 'sozialer Netzwerke'.
In Rollenspielen wurden schließlich von den Schüler*innen selbst eingebrachte Themen behandelt.
Schwerpunkte waren hier Happy Slapping, Cybermobbing, Kettenbriefe und deren angebliche
Konsequenzen bei einer Unterbrechung der Weiterleitung oder der freizügige Umgang mit Videos,
Bildern und persönlichen Daten.
Die Verknüpfung von spielerischen Methoden und inhaltlichen Modulen hat sich als zeitgemäß und
lebensweltorientiert dargestellt. Ziel war es, die Schüler*innen für die verschiedenen Themenkomplexe zu
sensibilisieren und einen niederschwelligen Zugang und Einstieg in die Thematiken zu ermöglichen.
Die Präventionsarbeit im Bereich Cybermobbing/Cyberbulling und Happy Slapping zeigt, dass
psychische Gewalt durch Medien ungebrochen ein Thema ist, das stark den Schulalltag der
Heranwachsenden prägt.
Auch die Tatsache, dass in jeder Klasse immer nur ein Teil der Schüler*innen in den sozialen Netzwerken
oder WhatsApp-Gruppen vertreten ist, grenzt zugleich auch immer den anderen Teil des
Klassenverbandes von der Kommunikation aus. Hier wurden individuelle Lösungsmöglichkeiten
erarbeitet und aufgezeigt werden.
An den Seminartagen haben wir auch festgestellt, dass es von Seiten der Schüler*innen ein großes Redeund
Mitteilungsbedürfnis gibt. Sie hatten während der Projekttage die Gelegenheit und den Raum ihre
Erfahrungen mitzuteilen, über ihre Ängste und Sorgen zu sprechen und gemeinsam Lösungsstrategie
beispielsweise durch Theater- und Rollenspiele zu erarbeiten.
Ein interessanter Punkt war zudem, dass sich einige Schüler*innen, die auch im realen Leben nicht
sozialen Netzwerken angemeldet sind, auch beim Projekttag nicht an der Offline-Variante der sozialen
Netzwerke mitwirken wollten. Diese Verhaltensweise wurde in der anschießenden Reflexion mit allen
Schüler*innen eingehend besprochen. Die Schüler*innen sind entsprechend bestärkt worden, sich eine
eigene kritische Meinung zu bilden und aufgrund ihres eigenen Urteils zu handeln und sich nicht einem
Gruppendruck beugen zu müssen.