Erlebnispädagogisches Klettern

Ansprechpartner:

Frau Gerdener

Institution:

Werner-Rolevinck- Grundschule Laer

  • Kolpingweg 9
    48366 Laer

Beschreibung und Ziele:

Der Wechsel vom Kindergarten in die Schule, aber auch weitere Übergänge beispielsweise ein Wohnortwechsel, Zuwanderung aus anderen Ländern und Kulturen sowie insgesamt die sich schnell wandelnde Lebensumgebung sind naturgemäß mit vielen Ängsten und Befürchtungen seitens der Kinder verbunden. Kinder die mit einem schwachen Selbstvertrauen und/oder einer schlecht entwickelten Sensibilität für sich und ihre Umwelt diesen Schritt bewältigen müssen, benötigen ihre ganze Energie um sich in ihrer neuen Umgebung zu Recht zu finden. Diese Kraftanstrengung lässt ihnen keinen Spielraum, um sich auf kognitive Lerninhalte zu konzentrieren. Nicht nur der Eintritt in die Schule, auch eine Vielzahl weiterer Faktoren können dazu führen, dass Kinder Unterstützung bei der Entwicklung emotionaler und sozialer Kompetenzen benötigen. Schwierigkeiten in diesem Bereich korrelieren zu 50% mit Problemen in Bezug auf das fachliche Lernen in der Schule, führen also dazu, dass sich das Kind nicht auf schulische Inhalte einlassen kann, und sollten daher von Anfang an und kontinuierlich Gegenstand der Förderung sein. Auch im Rahmen der derzeit häufig thematisierten Inklusion kommen immer mehr Kinder mit Schwierigkeiten in den Bereichen Emotionalität, sozialem Handeln und/oder in Bezug auf ihr Selbstkonzept in die Regelschule als Ort des gemeinsamen Lernens. Ein Teil dieser Kinder hat die Möglichkeit einmal wöchentlich an jeweils einer Einheit erlebnispädagogisches Klettern und heilpädagogisches Reiten teilzunehmen. Die SchülerInnen sollen in dieser natürlichen Umgebung, herausgelöst aus dem Schulalltag, durch eigenes Handeln und Interagieren in der Gruppe, mit dem Pferd und der gesamten Umwelt in ihrer Persönlichkeit und sozialen Sensibilität gefördert werden. Die Problemlösungsaufgaben im Niedrigseilgarten sind so konzipiert, dass die Gruppe nur gemeinsam das Ziel erreichen kann. Die Arbeit mit dem Pferd ermöglicht die Übernahme von Verantwortung, Körper- und Bewegungserfahrungen, sowie den Aufbau einer unvoreingenommenen nicht leistungsorientierten Beziehung und fördert dadurch die gesamte Persönlichkeitsentwicklung.

Ziel des Projektes ist die ganzheitliche Förderung der sozial-emotionalen Kompetenzen der Kinder durch selbstständiges Handeln in der Auseinandersetzung mit sich, der Gruppe, dem Pferd und dessen Umwelt in einer unvoreingenommenen, nicht leistungsorientierten Umgebung. Die Kinder lernen in der Gruppe und mit dem Pferd zu kooperieren und, auch auf non-verbaler Ebene v.a. mit Pferd, zu kommunizieren. Durch die direkte Rückmeldung lernen sie ihr Können und die Wirkung ihres Handelns auf andere besser einzuschätzen. Dadurch werden u.a. Selbstkompetenz, Konfliktfähigkeit, Anstrengungsbereitschaft, Selbstverantwortung und Frustrationstoleranz geschult. Durch die dreidimensionalen Schwingungsimpulse des Pferdes sowie dessen Wärmeübertragung können Körperwahrnehmung und Sinnesfunktionen wie Tiefensensibilität, Konzentration und das Gespür für sich selbst und den Partner in besonderer Weise gefördert werden. Der direkte Kontakt zum Pferd ermöglicht es den Kindern durch erhöhte Oxytocin-Ausschüttung eine Bindung aufzubauen. Durch die enge, vertrauensvolle Beziehung zu einem Lebewesen lernen sie sich zu öffnen, einem Partner zu vertrauen und ihnen entgegengebrachtes Vertrauen auch zu beantworten. Somit werden die Kinder sowohl auf sozialer als auch auf psychomotorischer Ebene in ihrer Persönlichkeitsentwicklung gestärkt. Eine Verbesserung des Sozialverhaltens sowie der Selbstwahrnehmung war bisher vor allem im Umgang mit dem Pferd durch die direkte Rückmeldung des Tieres sowie notwendigen Absprachen zu erkennen. Dabei zeigten die Kinder schon nach einigen Wochen eine gesteigerte Selbstwahrnehmung und ein gestärktes Selbstkonzept sowie Ansätze von Kooperationsfähigkeit beispielsweise beim Auskratzen der Hufe oder bei der Bewältigung sportlicher Aufgaben mit dem Pferd. Auch im Schulalltag sind mittlerweile Fortschritte diesbezüglich zu beobachten. Vor allem aber die Aufgaben im Niedrigseilgarten waren nur im Team zu bewältigen. Dort stellten sich insbesondere die Grenzerfahrungen als interessant und zielführend dar. Dabei lernten die Kinder, ihre Fähigkeiten besser einzuschätzen und ihrem Partner gegenüber verständlich zu machen, welche Hilfe sie benötigen um eine Aufgabe erfolgreich zu lösen und sich sicher zu fühlen. Insgesamt ist zu beobachten, dass die Kinder beginnen immer selbstständiger und verantwortlicher zu handeln, auch im Schulalltag. Nach nun fast einem Jahr, in dem das Projekt durchgeführt wurde, sind schon viele Anfragen von Seiten der Kinder, Eltern und LehrerInnen an uns gerichtet worden. Vorgesehen ist daher ab März 2015 eine Fortführung sowie ein Wechsel der Gruppe, sodass auch weitere Kinder vom Reiten und Klettern profitieren können. Bei der Durchführung kann nun auf die Erfahrung aus dem vergangen Jahr aufgebaut werden. Gleichzeitig soll das Projekt von einer Studentin der Saxion Hogeschool Enschede im Rahmen einer Bachelorarbeit wissenschaftlich begleitet werden.

Wie wurden die Kinder in das Projekt eingebunden?

Die Kinder sind die Hauptakteure. Sie werden sowohl beim Klettern als auch beim Reiten und im Umgang mit dem Pferd und der Gruppe mit "Herz, Hand und Verstand" selbst aktiv. Die Arbeit mit dem Pferd ermöglicht ein Beziehungsdreieck zwischen Kind, Pferd und Pädagogin, wobei das Pferd im Mittelpunkt steht und die Pädagogin die Rolle eines Vermittlers auf dem Weg zum selbstständigen Handeln einnehmen kann. Die Kinder sind für ihr Handeln und somit die Interaktion innerhalb der Gruppe und mit dem Pferd selbst verantwortlich. Jedes einzelne Kind ist daher in besonderem Maße am Erfolg der Aufgaben beteiligt und stärkt somit auch sein Selbstbild. Sowohl beim Klettern als auch während der Einheiten mit dem Pferd ist jedes Kind zu jeder Zeit eingebunden und hat eine Aufgabe, die es mit der Zeit immer mehr selbst erkennt und übernimmt.

Rückblick:

Die neue Gruppe der Kinder, welche am heilpädagogischen Reiten und erlebnispädagogischen Klettern teilnehmen konnten, zeigte zu Beginn Entwicklungs- und Förderbedarfe gerade in den Bereichen Selbstwahrnehmung, Selbstkonzept und speziell auch in Bezug auf soziale Kompetenzen/ Gruppenfähigkeit Rücksichtnahme, sprachlicher Bereich, Konfliktlösung, Empathie. Zur Förderung wurden zunächst grundlegende Regeln im Umgang mit dem Pferd und in der Gruppe erarbeitet, welche von den Kindern, auch aufgrund der besonderen Umgebung, der Motivation, der Bewegungsangebote, der Tiere sowie der Gruppengröße, schon wesentlich besser akzeptiert und beachtet werden konnten, als es im "normalen" schulischen Umfeld der Fall ist/war. Zeitweise wurden zum Reiten und für die Aufgaben im Klettergarten Kleingruppen gebildet, welche gemeinsam Absprachen und Entscheidungen treffen sowie Verantwortung übernehmen mussten. Die kleineren Aufgaben wurden zunächst angeleitet, später dann immer anspruchsvoller und von den Kindern selbstständig bewältigt. Erfolgserlebnisse im Umgang mit und auf dem Pferd sowie bei mutigen und herausfordernden Aufgaben im Klettergarten führten zu realistischeren Selbsteinschätzungen und positiven Selbstkonzepten bei den Kindern. Alle Schülerinnen und Schüler trauten sich schon nach einigen Wochen immer mehr aus eigenem Antrieb zu und lernten sich gezielt Hilfe zu holen bzw. erfolgreich zusammen zu arbeiten. Auch neuen Herausforderungen stellten sie sich zunehmend sicherer, zeigten vermehrt Anstrengungsbereitschaft, Durchhaltevermögen und konnten die Erfahrung machen, dass es sich lohnt, wenn sie sich für eine Sache einsetzen bzw. sich anstrengen.
Neben dem Reiten auf dem Pferd schulten vor allem auch das Klettern und Balancieren das Gleichgewicht, die Konzentration sowie Koordination und verbesserten dadurch sichtbar die Selbst- bzw. Körperwahrnehmung der Kinder. Dies wirkte sich auch im Schulalltag, beispielsweise in Bezug auf die Verringerung von Unterrichtsstörungen, positiv aus. Die Kinder lernten zu erkennen, wann ein anderes Kind Hilfe benötigt. Sie zeigten ebenfalls erste Fortschritte bei Konfliktlösungen und konnten sich, auch in den wöchentlichen Abschlussreflexionen der Einheiten, immer besser selbst reflektieren und ihre Empfindungen sowie Erfahrungen und Wünsche ausdrücken.
Insgesamt waren alle Kinder über den gesamten Zeitraum hinweg hoch motiviert, gingen gestärkter in das neue Schuljahr und konnten, jeder ganz individuelle, Fortschritte erreichen. Erste Ziele konnten auch bereits schon auf den Schulalltag übertragen bzw. auch dort deutlich werden.